Ich habe sehr interessiert auf
MIMA's Blog den Artikel "Don't do it yourself - oder: Das Unbehagen an der Kreativität" gelesen und antwortend und weiterführend auch
ulma's Artikel "Gedanken zur Selbermacherei und ein Umgewöhnungsvorschlag". Die Autorinnen beziehen sich hier u.a. auf die Bücher "Die Erfindung der Kreativität" von Matthias Reckwitz und "Don't do it yourself" von Lisa Anne Auerbach.
Fazit der Lektüre der beiden Bücher könnte sein:
Kreativität als Idee für ein selbstbestimmtes, schöpferisches Leben und Gegenmodell zur Konsumgesellschaft sei gescheitert.
Spannendes Thema.
Ich habe Lust, mir eine Meinung aus meinem eigenen Blickwinkel zu bilden, was auch schon eine kreative Leistung bedeutet...
Mein Blick auf das Thema resultiert aus meiner eigenen Wirklichkeit, aus dem was ich tue und denke und aus dem, was ich gelernt habe sowie den Meinungen anderer, die mich ansprechen, als Ergänzung und Erweiterung meiner eigenen Wirklichkeit. Mein Blick ist also individuell und subjektiv, wie auch sonst?
Ich habe schon als kleines Mädchen gerne gemalt, gestickt, gestrickt, genäht, eben viel mit den eigenen Händen erschaffen. Wir besaßen keinen Fernseher und ich hatte Zeit und manchmal auch Langeweile.
Ich bekam Anerkennung für meine Fähigkeiten, die sich durch das Tun herausbilden konnten.
Der Schulstress meiner Kinder in G8 war mir zum Glück auch fremd.
Heute ist es so, dass ich immer noch gerne all diesen Dingen nachgehe. Froh, wieder mehr Zeit und Muße dazu zu haben. Es tut einfach gut, im Tun zu versinken.
Ich male, arbeite sehr gerne mit Ton, weil es eine sehr wohltuende haptische Qualität hat (spricht den Tastsinn an), ich nähe Puppen, stricke .... mich sprechen Farben sehr an.
Was heißt es aber eigentlich, "
kreativ zu sein"?
Als Kreativtherapeutin verstehe ich Kreativität so: Mit Hilfe meines vorhandenen Wissens und meinen eigenen Erfahrungen finde ich für die Lösung einer Aufgabe einen neuen Weg, schaffe ein anderes oder in meinen Augen besseres Ergebnis oder überhaupt ein Ergebnis. Dazu gehört Phantasie, Mut, Entdeckergeist und auch spielerisches Auseinandersetzen mit der Aufgabe. Im kreativen Prozess tauchen auch Zweifel und Frustrationen auf (das kann harte Arbeit mit mir und z.B. meinem Durchhaltewillen bedeuten), aber gerade das Überwinden dieser Schwellen bringt Vertrauen in die eigene Fähigkeiten zur Problemlösung. Wenn dieser Punkt geschafft ist, macht die Arbeit Spaß, man ist ganz bei der Sache, kann das Ergebnis, was praktisch schon vor den Augen sichtbar wird, in finalen Schritten verfeinern und ausgestalten.
Das läßt sich nicht nur auf künstlerische, handwerkliche oder andere Felder, die wir automatisch mit "kreativ sein" verbinden, anwenden, sondern auch auf andere Bereiche des täglichen Lebens.
Kreativität zählt für mich persönlich zu einer wichtigen "Strategie" des Problemlösens im Alltag.
Mach es doch mal anders. Spiel mit Deinen Möglichkeiten.
D.I.Y - Do It Yourself
Selbstmachen, was man sonst fertig kaufen kann. Oder was man nicht kaufen kann. Was man braucht oder was man nicht braucht und auch sonst niemand. Was sich sammelt. Und was man auch nicht wegwerfen kann, weil das Material so teuer war.
Wer schon einmal auf der Creativa oder ähnlichen Messen war, weiß um die Maschinerie der Selbermacher-Industrie.
Reizüberflutung, das Gehirn schickt Gier-Signale im Angesicht dieser "Schätze".
Trotzdem finde ich E-books, Anleitungsbücher, Materialpackungen mitunter auch sehr förderlich, um Arbeitsschritte zu verstehen und seine eigene Technik auszubilden oder zu verfeinern. Und um überhaupt in die Lage versetzt zu sein, etwas selber zu machen. Dann könnte der Kreativätsfaktor in Form von Phantasie dazu kommen, um sich mit eigenen Ideen die Anleitungen zu Eigen zu machen.
Das, was ich da beschrieben habe, betrifft also eher den Teil dessen, was man umgangssprachlich für Kreativität hält. Deko, Basteln, Nähen, Stricken...
Ich halte dieses Selbermachen für ungemein wichtig. Selbstwirksam zu sein, etwas "Eigenes" zu schaffen ist wichtig für das Selbstwertgefühl.
Egal auf welcher Ebene das Selbermachen passiert. Brotbacken, Kochen (!), Kleidung nähen, Dinge im Haushalt reparieren, Fahrradfahren statt Auto ...
Das Motto des Evangelischen Kirchtags in Hamburg (bis Sonntag) lautet:
"Soviel Du brauchst".
Dazu habe ich gestern eine interessante
Radiosendung gehört. Sie ist als Podcast vom 03.05.2013 nachhörbar.
Gast war
Harald Welzer, Autor des Buches "Selbstdenken, eine Anleitung zum Widerstand".
Es stellte sich die Frage (auch an die Zuhörer), wie man denn feststellen kann, wie viel man wirklich braucht. Welche Bedürfnisse haben wir überhaupt? Wann sind sie erfüllt?
Und dann?
Dann setzt die Maschinerie der Industrie und Vermarktung an. Wenn unsere Bedürfnisse befriedigt sind, wird es schwierig für die Wirtschaft.
Dann kommt es zur Verführung mit all diesen wunderschönen Dingen... Werden die Dinge dann noch wunderschöner? Wird es uns dann zu leicht gemacht, zu einem eigenen selbstgemachten Produkt zu kommen?
Wird uns hier vielleicht unsere Kreativität aus den Händen genommen?
Hier greift unsere Selbstverantwortung, die Kunst des "intelligenten Lebens", um nicht all den Versuchungen zu erliegen und ein "richtiges Mass" zu finden. In der Diskussion mit den Zuhörern zeigte sich, dass das gefühlte persönliche Mass sehr subjektiv ist (ist deshalb auch der Kommunismus gescheitert?).
Lohnt es sich für den einzelnen, eine Stickmaschine oder anderes tolles Handwerkszeug anzuschaffen, nur weil ich hin und wieder... oder weil es mich auf den ersten Blick fasziniert.... (über)füllt es unsere Räume nicht eher?
Mangel macht kreativ!
Man könnte auch hin und wieder ein kreatives Erzeugnis kaufen!
Muß man alles selbst machen?
Mein persönliches, subjektives Fazit:
Kreativität als Idee für ein selbstbestimmtes und schöpferisches Leben ist mehr als aktuell und wichtig!
Kreativität, verstanden als intelligente oder achtsame Problemlösung.
Selbermachen mit Blick auf das, was wir wirklich brauchen, tut gut!
Ich spüre, dass sich aus diesen Gedanken noch viel mehr entwickeln kann, jeder hat einen anderen Blickwinkel aus seiner persönlichen Lebenswirklichkeit darauf. Ein Künstler, ein Händler, ein Kursleiter... eine Kreative.