Mittwoch, 15. Juli 2015

Von oben sieht die Welt ganz anders aus

Schon so lange war ich nicht mehr oben.

In vielerlei Sinne, fällt mir ein, wenn ich das schreibe.

In den Bergen zu sein tut gut.
Perspektivwechsel sind relativ einfach und schnell möglich.
In den Tälern unten ist man mittendrin im Leben, Teil des Ganzen, alltagslebend. Platzsuchend, aussichtsuchend, Ameise im Ameisenstaat. Geborgen am Boden, erdverbunden.

Manchmal kann man leicht nach oben kommen.
Wenn die Wege geebnet sind, wenn Menschen Vorarbeit geleistet haben oder unterstützen beim Aufstieg. Wenn Stufen gebaut wurden.
Manchmal gelangt man viel zu einfach nach oben, so dass man gar nicht so einfach erfassen kann, wie hoch man sich eigentlich befindet, welche Ebene man erreicht hat. Dann braucht es bewusste Wahrnehmung.

Nicht jeder ist ein Wanderer und Bergsteiger und schafft es, bei allergrößter Sommerhitze Berge zu erklimmen. Dann entgeht einem halt das lange und manchmal sehr anstrengende Sein in der schönen Natur, die sich über die wachsende Höhe verändert, der Duft der Wälder, Moose, Pilze, der Kontakt mit Tierchen. Bei zunehmender Beanspruchung des wandernden und bergsteigenden Körpers in der Hitze nimmt eh die Aufnahmefähigkeit irgendwann ab, um sich dann am Aussichtspunkt wieder voll entfalten zu können.

Richtig, wir waren die einzigen in unserer Pension, die die Berge nicht zu Fuß erklommen haben.
Alle anderen waren Wanderer, erfüllt von Stolz und Genugtuung ihres Seins in den Bergen.
Wenn ich auch wollte, ich könnte es im Moment gar nicht. (Leider.)

Aber ich weiß auch, wie es ist. Nach einer Woche Wandern in den Bergen des Kaukasus (lang ist's her) weiß ich ich, wie erfrischend die kleinen Gebirgsflüsschen sind, wie sich die Tier- und Pflanzenwelt mit der Höhe verändert, wie man seinen Tritt und seine eigene Geschwindigkeit findet.

Wir haben uns eine Woche Zeit genommen im Berchtesgadener Land.
Schon am Boden war es unglaublich, wieviel Schönheit, Weite und Ruhe sich in der "Schönau" breit macht.
Manchmal habe ich mich gefragt, warum die landschaftliche Schönheit wohl so ungerecht verteilt ist...

Aufsaugen, mit offenen Sinnesorganen aufnehmen, sich selbst füllen mit dieser Schönheit. Bis zum Rand und dann davon zehren. Ganz lange.



       Blick vom Kehlstein (1881 m) auf die Schönau.   Im linken oberen Viertel liegt der Königssee.
       Links der Jenner.


Herabblicken auf die ganze Landschaft und das Panorama des Lebens.
Dinge mit Abstand sehen, besser überschauen und einordnen können.

Der Blick vom Kehlstein ist atemberaubend schön.

Jedoch möchte ich nicht unerwähnt lassen - nein - es war sozusagen auch eine Antriebskraft, den Berg mit meinem sehr geschichtsinteressierten 15-jährigen Sohn zu besuchen - dass auf dem Kehlstein 1938 als offizielles Geschenk der NSDAP zu Adolf Hitlers 50. Geburtstag das Kehlsteinhaus gebaut wurde.
Größenwahn auf dem Berg, mit unvorstellbarem Aufwand gebaut.
In der Dokumentation Obersalzberg erfährt man mehr über die zeitgeschichtliche Seite des Berges und der Gegend in der Zeit des Nationalsozialismus, die als Führersperrgebiet, zweite Schaltstelle der Macht neben Berlin und als Propagandamittel missbraucht wurde.

Vom Obersalzberg gelangt man entweder zu Fuß oder über eine 6 km lange Straße, die ausschließlich mit speziellen Bussen befahren werden darf, zu einem Aussichtspunkt des Kehlsteines.
Die Auffahrt ist spektakulär. Sehr schnell geht es in unglaubliche Höhen... wenn man dabei ins Tal blickt, kann es schon etwas im Bauch grummeln. Respekt breitet sich im Bus aus...



Hier sieht man den Aussichtsplatz und gleichzeitig den Eingang zum 124 m langen Tunnel in den Berg, der zu einer kleinen Grotte führt:




Hier deutet sich bereits an, was jetzt kommt: Ein Aufzug, goldglänzend, ausgekleidet mit polierten Messingplatten und venezianischen Spiegeln, der in nur 41 Sekunden die 124 m im Inneren des Berges bis direkt in den Eingangsbereich des Kehlsteinhauses überwindet.



Da wären wir.



Auf etwa 1870 m ist es im Vergleich zum Tal um 11 Grad kühler, angenehme 21 Grad haben wir oben.



Direkt vom Kehlsteinhaus ins Tal geblickt.




Und es geht noch etwas höher. Ausblick von weiter oben auf das Kehlsteinhaus und die wunderschöne Landschaft.




           
So richtig populär wurde das Kehlsteinhaus nach dem 4. Mai 1945, als es von den amerikanischen Streitkräften besetzt wurde und als "Eagle's Nest" bezeichnet wurde.




Heute ist es ein Ort, an dem erinnert wird an den Größenwahnsinn des nationalsozialistischen Regimes, die Verschwendung von natürlichen Ressourcen, den Eingriff in die Natur, das Verbergen von Massenverbrechen des Hitler-Regimes durch die strahlende Schönheit dieser Bergwelt.
Hitler selbst war nur selten dort.

Die Schönheit der Natur hat diesen Teil der Geschichte überdauert.








4 Kommentare :

  1. Eine tolle Mischung aus Schönheit und Zeitgeschichte! Habe diesen Post gerne gelesen.
    LG
    Astrid

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    1. So dachte ich auch..., und bekomme auch mal wieder Lust auf Berge. LG Ghislana

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  2. Liebe Sabine,

    An sehr geschichtsträchtigen Orten seit ihr gewesen, Deine Bilder wecken in mir die Wanderlust, es ist schon über drei Jahre her, seit ich das letzte Mal im Hochgebirge war.
    herzlich Judika

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  3. Hallo,
    ohhh, da war ich das letzte Mal vor ca. 30 Jahren. Wir sind auch Aufzug gefahren, haben uns auch den Bunker angeschaut. Weiss aber nicht, ob man den noch besichtigen kann.
    Toll, Erinnerungen kommen hoch, damals war mein Sohn 10 Jahre alt. Interessanterweise ist
    Adolf Hitler nie mit diesem punkvollen Aufzug gefahren, weil er Angst hatte.
    Schöner Bericht, vielen Dank
    Lieben Gruß Eva

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